Sendetermin: "Aus dem Leben" - am 9.10.2014 um 21 Uhr 05, ORF 2, Am Schauplatz

 Jedes Jahr sterben doppelt so viele Österreicher durch Selbstmord als im gesamten österreichischen Straßenverkehr. Das sind 1.300 Menschen jährlich oder 3 bis 4 Tote pro Tag. Die Dunkelziffer ist weitaus höher, die Zahl der Suizidversuche wird bis zu 30-Mal so hoch eingeschätzt. Wer sind diese Menschen, die ihrem Leben - scheinbar freiwillig - ein Ende setzen? Und was macht das Leben so unerträglich für sie?

 

 „Achtung, Selbstmord“ als Abschiedsbotschaft

Nur 30 Prozent der Hinterbliebenen finden nach einem Suizid einen Abschiedsbrief vor. Auch Rita Haller und Ihre Tochter Agnes mussten eine sehr knappe Verabschiedung verschmerzen. Denn Sohn und Zwillingsbruder Philipp hinterließ lediglich einen kleinen Zettel: „Achtung, Selbstmord. 1.3., 5 Uhr früh, unterschrieben Philipp Haller“. 8 Jahre ist Philipps Tod nun her. Doch auch heute ist es für Rita und Agnes ein regelmäßiges Ritual, Philipp auf dem Friedhof zu besuchen. Agnes stellt frische Blumen in die Vase am Grab, während Mutter Rita den Kinderwagen ihres Enkelkinds wippt. „Manchmal bin ich immer noch wütend auf ihn. Da sag ich in Gedanken zu ihm: Warum hast Du uns das angetan?“

 

Suizidgedanken: ein Leben zwischen Himmel und Hölle

Die Zahl von Suizidversuchen ist schwer erfassbar, denn nicht jeder Selbstmordversuch wird als solcher erkannt. Der Wiener Suizidexperte Dr. Nestor Kapusta geht von bis zu 30.000 Selbstmordversuchen jedes Jahr in Österreich aus. Mehr als ein Drittel der Überlebenden unternimmt danach einen weiteren Versuch. Manfred Tatschl ist einer von ihnen. Jahrelang war er dem Tod weitaus näher als dem Leben. „Leben wollte ich eigentlich nie richtig. Es war einfach nur existieren.“ Vor 5 Jahren war sein letzter Selbstmordversuch.

 

 Warum? Eine unbeantwortete Frage.

Mit dem Tod eines nahen Verwandten zurechtzukommen, ist schwierig genug. Noch schwieriger wird es, wenn es das eigene Kind betrifft. Und am schwersten ist es wohl, einen Freitod nachzuvollziehen. Petra Hofler-Mayrhofer hat in den ersten Wochen nach dem Suizid ihres Sohnes selbst daran gedacht, sich umzubringen. Ihr Sohn war ein quicklebendiger und neugieriger Mensch, sagt sie, er schien glücklich zu sein. Sein Selbstmord kam für das Umfeld wie aus dem Nichts. Antworten auf die Frage nach dem „Warum“ gibt es bis heute nicht, doch seine Mutter hat gelernt, damit zu leben. „Er wird es wissen und einen guten Grund dafür haben. Nur ich weiß ihn nicht. Es geht mich auch nichts an. Es darf jetzt sein wie es ist - weil es wieder gut ist.“ Bei Margareta Divjak-Mirwald ist diese nagende Ungewissheit, warum ihr Sohn sich das Leben genommen hat, auch 11 Jahre später geblieben. Es fällt ihr schwer, ihren Sohn Lukas gehen zu lassen. Sein Zimmer ist beinahe unberührt, die Monatsgebühr für seinen Handyvertrag bezahlt sie weiterhin. „Es ist so schwierig das zu akzeptieren. Das wirklich zu akzeptieren und zu sagen: sein Wille.“

 

Ich habe mich für „Am Schauplatz“ auf die Suche nach Überlebenden und Hinterbliebenen gemacht, die mir Einlass in den ganz privaten Alltag gewährt und ihre wohl schwersten Lebensmomente offengelegt haben. Es ist ein rarer Einblick in die Gefühlswelt von Betroffenen, die durch eine ganz zentrale Frage gesteuert wird: Leben oder Sterben?

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Kommentare: 1
  • #1

    Catherina Lauermann (Montag, 06 Oktober 2014 12:04)

    Ich möchte mich dafür bedanken, dass dieses Thema in einer Sendung behandelt wird, weil es mich selbst betrifft und es bei all dem Schmerz gut tut, zu wissen, dass man nicht alleine ist. Es ist hoch interessant, welche Möglichkeiten und Wege es gibt, damit umzugehen. Mein Mann hat sich nach unsere Trennung und der Firmenpleite das Leben genommen, für mich nicht vorhersehbar. Es gibt mehrere Abschiedsbriefe, einen an seine Mama, einen an seine Tochter und einen an mich. Trotzdem muß ich sagen, dass das WARUM nie wirklich gewiss sein wird und was zurückbleibt ist nach Wut und Entsetzten vor allem großer Schmerz und Trauer darüber nicht helfen können zu haben, obwohl ich alles getan hätte, um sowas zu verhindern. Obwohl einen jeder immer von Schuld freisprechen will, bleibt ein erdrückendes Schuldgefühl - in meiner Situation...

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