Sendetermin: "Generation Dschihad" - am 25.10.2016 um 22 Uhr 35, ORF 2, Kreuz und Quer

 

 

„Ich war da, hab gesehen, was ich sehen wollte, ich wollte helfen. Das war eigentlich meine Absicht. Und dann kam es anders.“

 M, IS-Rückkehrer aus Syrien

 

 

Die Suche nach einem Platz in der Gesellschaft, nach einem Sinn im Leben, nach der eigenen Identität endet für viele Jugendliche immer wieder in der Radikalisierung. Auffällig oft finden sie im radikalen Islam Halt, werden zu Anhängern des sogenannten „Islamischen Staates“, religiösen Fanatikern und Terroristen. „Generation Dschihad“ geht den Ursachen dieses Phänomens nach, spricht mit international anerkannten Experten und lässt jene zu Wort kommen, die bereit waren, ihr Leben für den Islam zu geben.

 

 

Als Joachim Gerhard erfuhr, dass seine beiden Söhne nach Syrien gereist sind, um sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ anzuschließen, wollte er seinen Ohren nicht trauen. Bereits zwei Jahre ist dies her. Verstehen kann Gerhard die Entscheidung seiner Söhne, sich ihrer Familie, ihren Freunden und dem Luxus abzuwenden und dem Westen den Kampf anzusagen, nach wie vor nicht.

 

Experten sehen in der Sinnleere moderner Gesellschaften westlicher Prägung einen Hauptgrund für die Attraktivität des islamistischen Terrors. Die radikalen Prediger und Verführer hätten es geschafft, dem westlichen Nihilismus ein besseres, ein erfüllendes Sinnstiftungsangebot gegenüber zu stellen. Gabriele Wörgötter, Fachärztin für Psychatrie und Neurologie, sieht in den Radikalisierern die besseren Sozialarbeiter, welche auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen, eine Beziehung aufbauen und einen Ausweg aus der sozialen Isolation und Deprivation anbieten würden.

 

Aus diesem Grund versteht Olivier Roy, international anerkannter Politikwissenschaftler und Islamexperte, den Wunsch, radikalen Gruppen wie dem sogenannten „Islamischen Staat“ anzugehören, mehr als eine Jugendrevolte, denn als eine Radikalisierung des Islam. Die Jugendlichen würden sich gegen ihre Eltern, die in ihren Heimatländern erfahrene Ausgrenzung und die Perspektivenlosigkeit auflehnen und im politischen Islamismus Antworten und vor allem Halt finden. Die im Internet weit verbreiteten IS-Propaganda-Videos würden exakt diese Themen ansprechen, so Rüdiger Lohlker, Islamwissenschaftler und Orientalist an der Universität Wien. Ein verquerer Gerechtigkeitssinn, antiquierte Männlichkeitsideale und die Verherrlichung von Gewalt und Terror seien die dominierenden Themen, welche in der islamistischen Propaganda bespielt werden.

 

Genau dort versucht der Verein „Not in God’s Name“ anzusetzen. Im Kampfsportverein Tosan in Leopoldstadt sollen Testimonials gefährdeten Jugendlichen als Idole zur Seite stehen und sie davon überzeugen, dass man auch mit muslimischen Religionsbekenntnis Teil der österreichischen Gesellschaft ist. Man könne nicht alle erreichen, so Mitbegründer Alexander Karakas, doch man versuche eine Vorbildfunktion einzunehmen und den jungen Menschen in ihrer Identitätssuche unter die Arme zu greifen.

 

Auf ähnliches weist das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hin: unmöglich können alle Radikalisierten lückenlos überwacht werden, zu vielfältig und differenziert sei die dschihadistische Szene in Österreich, so Peter Gridling, Direktor des BVT. Rund 280 Personen aus Österreich seien nach Syrien und in den Irak gereist, rund 50 konnten an der Ausreise gehindert werden, immerhin bereits 80 IS-Anhänger seien wieder zurückgekehrt und stellen ein reales Bedrohungsszenario dar.

 

Auch M.  ist wieder aus Syrien zurückgekehrt. Ein knappes halbes Jahr hatte er den sogenannten „Islamischen Staat“ von Innen kennen gelernt, war Mitglied jener Terrororganisation, die sich seit mittlerweile mehr als zwei Jahren für unzählige Anschläge verantwortlich zeichnet. Angst, Misstrauen und Gewalt seien an der Tagesordnung gewesen, schnell war ihm klar, hier kann und möchte er nicht bleiben. Einige Monate habe die Fluchtvorbereitung gedauert, ständig musste er befürchten dabei entdeckt und dafür bestraft zu werden: auf Desserteure wartet die Todesstrafe. Zurück in Europa versucht er mit seiner Vergangenheit aufzuräumen, zu begreifen was geschehen war, zu verstehen, warum gerade er in die Fänge dieser radikalen Islamisten geraten konnte. Im Nachhinein gibt er sich harmlos.

 

„Wenn ich ein Terrorist wäre, dann könnte ich ja jetzt sofort wen töten. Warum später, wenn ich das jetzt machen kann?"

M., IS-Rückkehrer aus Syrien

 

 

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